Freitag, 17. Mai 2013

Gerontenterror

RUMS! Ein fetter alter Sack begräbt mich mit seinem Riesenrollkoffer unter sich und fegt dabei meinen Kaffee auf den Nachbarsitz. Was solls, zu viel Kaffee ist sowieso ungesund. Nachdem ich mich aus der Sitzritze wieder hervorgekämpft habe schaut mich der Zausel vorwurfsvoll an. Stimmt ja auch, wieso sitze ich hier einfach faul auf meinem Platz, während sich ein dutzend übergewichtiger Geronten in beide Richtungen durch den Wagen schiebt und sich mit ihren XXXXXL-Koffern verkeilt? Weils so schön war, lässt er sich gleich noch mal auf mich fallen. Wird wirklich Zeit, dass ich mich dafür entschuldige. Auch dafür, dass ich nicht Beifall klatsche, dass er gerade nahe daran vorbeigeschrammt ist, meinen Laptop zu schrotten. Er quetscht sich weiter. Jetzt kommt eine knapp Hundertjährige in Globusform mit zwei Taschen, in denen sie wahrscheinlich ihre beiden verstorbenen Ehemänner transportiert. Damit sie einer anderen Matrone im Gegenverkehr Platz machen kann (Man ist ja höflich!), quetscht sie sich auf meinen Schoß und macht dort erst mal ein Nickerchen... Vor mir beansprucht ein zerfurchtes Paar die bereits besetzten Plätze. Wahrscheinlich sind das pensionierte Herbergseltern, eine aktives Feldwebelpaar oder diplomierte Hausmeister. Jedenfalls klingt der Ton danach... Wie blöd, dass es zwar die richtigen Plätze sind, aber der falsche Wagen... Na da können sie sich weiter vorn noch mal so richtig ins Zeug legen... Mich lässt das Gefühl nicht los, dass die meisten Reisenden im Jahr der Reichsbahngründung geboren wurden und daraus den Anspruch herleiten, hier die Fahrkarten zu kontrollieren... Einen Vorteil hat das aber: man fühlt sich plötzlich so jung.

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